Mittwoch, den 04.07
Als ich heute Morgen zum Frühstück erschien, sahen sowohl
Mama als auch Papa so geschafft aus als seien sie auch in der Nacht schon die
Berge hoch und runter gewandert. Da ich
allerdings gut geschlafen hatte, konnte ich mir keinen Reim auf ihren
offensichtlichen Schlafmangel machen.
Es stellte sich heraus, dass in der Nacht ein Ast von einem
der umstehenden Bäume auf dem Dach des RVs geschrapt hatte und Mama und Papa
davon wach geworden waren. Das Geräusch muss so unangenehm gewesen sein, dass
Papa mitten in der Nacht durchs Fenster aufs Wohnmobildach geklettert ist und
mit seinem Taschenmesser den Ast abgesäbelt hat.
Ich hatte von der ganzen Angelegenheit nichts mit bekommen,
da ich noch vom Vortag so geschafft war, dass ich schlief wie ein Stein. Nach
dem ersten starken Kaffee zum Frühstück ging es Mama und Papa schon merklich
besser. Das war auch gut so, denn heute stand eine Flusswanderung durch den
Virgin-River auf dem Programm. Sie sollte uns einiges unserer Kraft kosten.
Doch davon später mehr.
Wie wir bereits in mehreren Reiseberichten gelesen hatten
war es im Zion Nationalpark möglich sich der Natur von einer ganzen anderen
Seite zu nähern. Da es in diesem Nationalpark durchgehend Wasser gibt und
dieses selten versiegt, hatte es mit der Zeit tiefe Schluchten in den Fels
gewaschen. Wenn keine Regenzeit herrscht und es nicht zu gefährlich ist, kann
man in einem Flussbett durch eine dieser Schluchten wandern. Alle Berichte
waren sich einig, dass man das auf keinen Fall verpassen sollte.
Deshalb hatten wir uns entschlossen heute diese etwas andere
Wanderung zu machen. Mit schnell trocknenden Sachen und festem Schuhwerk
bewaffnet stiegen wir gegen 9 Uhr in den kostenlosen Shuttlebus ein, der uns
zum Eingang der Schlucht bringen sollte. Nach einer ¾ Stunde erreichten wir den
Haltepunkt, von dem aus der Weg in die Schlucht beginnen sollte. Doch zu
unserer Überraschung war weder von einer Schlucht noch von einem Flussbett
etwas zu sehen. Zum Glück hatten wir am Tag zuvor von den Parkrangern eine
Karte des Zion Nationalparks bekommen und darauf war ein asphaltierter Weg
verzeichnet, der nach 30minütigem Fußmarsch vor den Narrows, dem Wanderweg im
Fluss, enden sollte.
Dieser Teil der Strecke war eben und gut besucht, da er
direkt neben dem Fluss langlief. Von Zeit zu Zeit begegneten wir sehr erschöpft
wirkenden Wanderern mit nassen Hosen und triefendem Schuhwerk. Einige von ihnen
hatten sogar Wanderstöcke mit, um sich im Fluss besser abstützen und die
Balance halten zu können. Doch eines hatten alle gemeinsam- trotz ihres
abgekämpften Gesichtsausdruckes lächelten sie. Da wussten wir, wir hatten uns
das richtige Ziel für heute rausgesucht.
Als wir endlich am Ende des asphaltierten Weges ankamen,
sahen wir schon Massen von Leuten bis zu den Knien im Wasser stehen oder sich
langsam tiefer in die Schlucht bewegen. Eigentlich hatten wir gehoffte, dass es
etwas leerer sein würde. Doch nichts desto trotz stiegen auch wir in die
eiskalten Fluten und kämpften uns am Rand des Felsen entlang tiefer in den Berg
hinein. Schon nach wenigen Sekunden waren unsere Schuhe, Socken und teilweise
auch die Hosen klitschnass. Dennoch machten wir uns daran noch tiefer in die
Schlucht vorzudringen. Wir hangelten uns an den Felswänden entlang und
versuchten auf den doch recht glitschigen Steinen nicht auszurutschen. Und
diese Mühen lohnten sich. Wenige Minuten
nach unserem Eintritt in den Fluss bot sich uns bereits der erste richtig
schöne Anblick. Zu beiden Seiten der Schlucht flossen kleine Wasserfälle den
Berg hinab und an den Felshängen hatten sich Moose und Farne angesiedelt, die
das sonst so triste Gestein begrünten. Leider standen bereits viele andere
Touristen vor den kaskadenartigen Wasserfällen und ließen sich photographieren.
Doch wir gaben nicht auf und warteten bis sich endlich eine Lücke in dem
Gedränge auftat und auch wir den ersehnten Schnappschuss machen konnten.
Es war ja nicht weiter
verwunderlich, dass sich heute Massen von Personen im Canyon eingefunden
hatten, denn der 4.Juli ist bei den Amerikanern Nationalfeiertag. Viele Amis
verbringen ihn mit ihrer Familie und ihren Freunden, um ihre Unabhänigheit von
Großbritannien im Jahr 1776 zu zelebrieren. Gewöhnlicher Weise gibt es in den
Großstädten dann auch immer riesige Paraden und abends ein Feuerwerk. Doch
einigen Amerikanern scheint das alles ein wenig zu viel zu sein, sodass sie
zusammen mit den Touristen durch Nationalparks wandern.
Nachdem wir endlich unser Foto hatten machen können, gingen
wir weiter durch den Fluss. Plötzlich mussten wir die Uferseite wechseln, da es
immer tiefer wurde und wir schon fast bis zu Knien im Wasser standen. Papa ging
voran und als er in der Flussmitte angekommen war stand er bereits bis zu den
Oberschenkeln im eiskalten Wasser. Mama und ich machten uns auf Zehnspitzen
daran ihm zu folgen und auch wir versanken regelrecht im Flussbett. Auf der
anderen Flussseite angekommen mussten wir feststellen, dass unsere Hosen
mittlerweile klitschnass waren und wir Glück gehabt hatten, denn einige andere
Touristen hatten versucht etwas später die Seiten zu wechseln und waren noch
nasser geworden als wir. Eigentlich war die kühle Nässe gar nicht so schlimm,
denn es war mal wieder sehr warm und die Mittagssonne trocknete unsere Sachen
sehr schnell wieder. Dennoch war es etwas unangenehm in nassen, am Körper
klebenden Klamotten durch den Fluss zu stapfen.
Umso weiter wir dem Fluss stromauf weiter in die Schlucht
folgten umso kühler, schattiger und leerer wurde es. Viele Kurzzeit-Besucher
waren bereits wegen mangelnder Ausrüstung oder aus Zeitgründen wieder umgekehrt
und so machten sich nur die ernsthaften Wanderer daran die Tiefen der Schlucht
zu erkunden.
Auf unserem Weg über Geröll, umgestürzte Bäume und
glitschige Steine begegneten uns auch immer mal wieder Wanderer mit großen
Trecking-Rucksäcken und abgekämpftem Gesichtsausdruck. Da wir vorher in vielen
Reiseberichten gelesen hatten, wussten wir, dass es auch möglich war die
Schlucht komplett zu durchwandern. Diese Mamut-Tour sollte 3 Tage dauern und
man musste sich vorher anmelden um einen der wenigen Zeltplätze zu bekommen.
Wir als Flachlandtiroler hatten allerdings nicht vor so
lange zu bleiben und setzten unseren Weg mit kleinen Essens-und Fotopausen
fort. Durch eine der Karten war uns bewusst, dass sich die Narrows, also die
engen Schluchten, irgendwann weiter verzweigen würden und wir uns dann
entscheiden müssten, wo wir weiter gehen
wollten. Als wir an die erste dieser Weggabelungen kamen, entschieden wir uns
den Haupttouristenweg zu verlassen und einen Seitenarm, der überhaupt nicht
besucht schien, zu erkunden.
Wir folgten einfach dem Wasser stromauf bis wir an einen
umgestürzten Baum kamen, der unüberwindbar schien. Schließlich endeckten wir
doch einen Weg hinüber zu gelangen und erblicken einen Flussabschnitt, den
bisher anscheinend nur wenig Wanderer erkundet hatten. Es gab keine
wegweisenden Trampelpfade und wir mussten uns selbst einen Kopf machen wie wir
durch den Fluss waten wollten.
Wir robbten auf Baumstämmen vorwärts, zogen uns glitschige
Felswände hinauf, die nur durch einige Löcher im Fels erklimmbar waren, und
standen teilweise bis zur Brust im Wasser. Diese Wanderung war eine der
anstrengendsten aber auch eine der schönsten, die wir bisher gemacht hatten,
und sie hat uns auch unsere Grenzen gezeigt.
Anfangs lief immer noch eine Studentin hinter uns her, die
sich ansah wie wir schwierige Stellen meisterten und es uns dann nachmachte.
Doch mit der Zeit wurde sie langsamer und schließlich sahen wir sie gar nicht
mehr. Nachdem wir uns endlich mal wieder an einer Felswand hochgezogen hatten
und Papa ordentlich zu tun hatte uns da überhaupt hoch zu bekommen, kamen wir
an eine Stelle, an der wir nicht weiter kamen. Es war eine so tiefe
Flussstelle, dass man hätte schwimmen müssen um weiter zu kommen, nur um sich
dann an einem Wasserfall hochziehen zu müssen.
Das war dann doch ein bisschen zu viel für uns. Zumal wir
auch nicht mehr so viel Kraft hatten um noch viel weiter gehen zu können. Also
drehten wir nach 2 ½ Stunden anstrengender Wanderung um und machten uns auf den
Rückweg. Allerdings gestaltete der sich genauso schwierig wie der Hinweg, da
wir jetzt überall bergab steigen mussten. Die glitschigen Felswände runter zu
kommen war Mama und mir kaum möglich und so musste Papa uns mehrfach durch
Hilfestellungen und gutes Zureden zum Weiterklettern überreden. Nach einer
besonders schwierigen Stelle trafen wir auf einen netten Amerikaner, der mit
seinem circa 20jährigen Sohn unterwegs war. Er erzählte uns, dass er diese Tour
schon öfter gemacht hatte und sie eine der anspruchsvollsten im ganzen Canyon
sei. Besonders die schwierig zu überwindenden Wasserbecken hatten es ihm wohl
angetan und er gab uns ein paar Tipps für den Rückweg. Dann wünschte er uns
noch viel Glück und kletterte mit seinem Sohn weiter.
Als wir dann an einem dieser Wasserbecken ankamen, das schon
auf der Hintour schwer zu durchwandern gewesen war, weil es so tief war, trafen
wir auf ein weiteres amerikanisches Pärchen. Die Eheleute versuchten
anscheinend auch grade einen Weg zu finden um möglichst trocken durch das kühle
Nass zu kommen. Doch das gestaltet sich ja bekanntlicher Maßen schwierig. Also
ließen sie uns erstmal vorklettern, um zu sehen wie wir denn den Weg weiter
gekommen waren. Als der Mann allerdings sah wie Mama bis zur Brust im Wasser
verschwand, fasste er sich ein Herz und sprang kopfüber ins Wasser. Er schwamm
durch das Becken und kletterte an der anderen Seite vorsichtig den Fels hoch.
Nachdem seine Frau gesehen hatte, dass sie so oder so nass werden würde, sprang
auch sie ins Wasser und folgte ihrem Mann.
Wir wanderten lachend weiter und kamen letztendlich an dem
Baumstamm wieder an, der uns anfangs den Weg in dieses wunderschöne Tal so
erschwert hatte. Dort entdeckten wir auch zwei Rucksäcke, die wahrscheinlich
dem netten Mann und seinem Sohn gehörten. Sie hatten ihre Habseligkeiten
zurückgelassen, um nicht alles nass zu machen, und wir ärgerten uns selbst ein
bisschen, dass wir unseren Rucksack mitgeschleppt hatten. Denn es war wirklich
an einigen Stellen kompliziert gewesen den Rucksack nicht ins Wasser fallen zu
lassen. Aber wenn wir ihn nicht mitgenommen hätten, wäre auch der Fotoapparat
zurückgeblieben und wir hätten die wundervollen Fotos nicht schießen, die wir
euch zeigen werden, wenn wir wieder in Deutschland sind.
Am Ausgang des Tals gab es eine kleine Sandbank mit Kieseln
auf der wir erstmal Pause machten, unseren Proviant plünderten und uns
ausruhten. Dort trafen wir auch die Studentin wieder, die zu Beginn mit uns in
das Tal hinein gewandert war, sich dann aber dazu umentschieden hatte, doch dem
Haupttouristenweg zu folgen. Nach einer langen Pause und gut gestärkt folgten
wir dem Hauptfluss zum Ausgang der Schlucht. Dieser Abschnitt der Narrows war
ein Kinderspiel gegenüber dem kleinen anspruchsvollen Tal, das wir vorher
bewältigt hatten.
Der Weg zurück verlief schnell und schon bald kamen uns
wieder die Touristenmassen entgegen, die den Eingang der Schlucht erkundeten.
Es wurde wärmer und auch unsere Kräfte kehrten zurück. Am Eingang der Narrows
setzten wir uns auf ein paar Steine und ließen unsere Hosen und Shirts erstmal
trocknen, da wir nicht mit nassen Sachen in den Bus steigen wollten.
Währenddessen beobachteten wir die anderen Touristen, die sich ins Tal hinein
drängten. Einige kamen sogar mit Plastiktüten am Arm und Sandaletten an den
Füßen durch den Fluss gewatet. Andere hatten Sonnenschirmchen und iPad dabei
oder mussten ihre Kinder anbrüllen nicht zu weit vorzulaufen und dann zusehen,
dass sie selbst schnell hinterher kamen. Doch alles in allem hatten alle ihren
Spaß mit dem Fluss und wir genossen das Spektakel, das sich uns bot.
Nach einer Weile waren unsere Sachen getrocknet und wir
machten uns, an den im Fluss spielenden Kindern, den photographierenden
Japanern und den sich lautstark unterhaltenden Amerikanern vorbei, auf den Weg
zum Busshuttle.
Am Campground wieder angekommen, zogen wir uns um und
stellten unsere durchweichten Schuhe zum Trocknen in die Sonne. Schon nach
kurzer Zeit war es so heiß im Wohnmobil, dass wir es kaum aushielten und zum
Bach hinter dem Campground gingen, um uns abzukühlen.
So verbrachten wir den restlichen Tag in dem Wasser,
durch das wir noch vor wenigen Stunden gewandert waren. Das Baden war
erfrischend und wir ruhten uns gut aus. Am Abend gab es noch das eine oder
andere vom Grill und dann vielen wir erschöpft in die Betten.